Disgusting Food Museum Berlin – Essen und Trinken mit Schau-Wow-Effekt
Berlin ist immer eine Reise wert. Viel gibt es dort zu sehen. Gefühlt bringt jede Woche eine neue Attraktion zum Vorschein. Zum Essen fährt hingegen kaum jemand nach Berlin. Viele Leute meinen, dass die Berliner Küche, um es mal diplomatisch auszudrücken, sehr wenig zu bieten hat. Das stimmt, und es stimmt nicht. Eine urberlinerische Küche gab es ohnehin nie. Berlin war immer ein Ort, an dem sich Menschen unterschiedlichster Herkunft begegnen, an dem multikulturell gegessen und getrunken wird. Da liegt die Idee nahe, diesen weltweiten Küchenkulturen, die sich in Berlin durchdringen, ein eigenes Museum zu widmen.
Ekel gibt es (nicht)
Ausgangspunkt des Disgusting Food Museum Berlin ist eine Erfahrung, die jede und jeder vom eigenen Esstisch her kennt: Sobald ein Gericht anders als gewohnt aussieht oder sogar gänzlich anders und fremd wirkt, runzeln wir Stirn und Nase und rufen entrüstet aus: „I, ist ja eklig!“ Wer Kinder am Esstisch sitzen hat, kennt das zur Genüge. Menschen, die den Mut aufbringen, sich auf diese kulinarische Fremdheit einzulassen, werden oft mit einem guten Geschmack, zumindest mit einer Erfahrung, die neue Geschmackshorizonte eröffnet, belohnt. Das Disgusting Food Museum Berlin zeigt über 90 Nahrungsmittel und Gerichte, die aufgrund ihres Aussehens, ihrer Farbe und Konsistenz, ihres Geruchs und Geschmacks einen Ekel-Ausruf provozieren. Für den Fall, dass der Ausruf in einen Auswurf übergeht, gibt es gleich an der Kasse des Museums keine Eintrittskarte, sondern eine Eintrittstüte: eine klassische Kotztüte, wie sie aus dem Flugzeug bekannt ist.
Ekel und Schönheit
Präsentiert werden die vermeintlich ekelhaftesten Küchenprodukte auf glänzenden Edelstahltischen unter schicken Glashauben. Die Schönheit der Inszenierung schafft einen starken Kontrast zu Madenkäse oder Bullenpenis, und sie sorgt dafür, dass das Fremde, das Ekel auslösen kann, bei jedem Blick weniger ekelhaft wirkt. Schönheit baut Fremdheitsgefühle ab. Die Besucher*innen können sich nach einer Betrachtung von allen Seiten also durchaus vorstellen, sich essend und trinkend auf das Fremde einzulassen. Ebenso laden die schönen Riechgläser, in den sich scheinbar schlimmster Käse befindet, dazu ein, ein Näschen zu riskieren. Am Käse-Altar spielen sich beeindruckende Dramen ab: Die einen Gäste wünschen sich noch ein Glas Wein dazu, um einen wunderbaren Nachmittag zu verleben, andere wenden sich angewidert und grün im Gesicht ab. Die Geschmäcker und Geschmacksnerven sind eben extrem unterschiedlich, und gerade das macht das Museum interessant: Warum empfinde ich eine Sache so, während meine Partnerin, mein Partner gänzlich anders empfindet? Die Gäste des Museums lernen sich und ihre Mitmenschen über neue Geschmacksrichtungen neu kennen.Probier mal!
Das Disgusting Food Museum Berlin ist kein gewöhnliches Museum. Normalerweise ist in den bekannten Museen alles verboten, was das menschliche Handeln ausmacht: das Riechen, Schmecken und natürlich Anfassen. An der Tasting Bar im Disgusting Food Museum haben solche Verbote keine Geltung. Hier kann und soll probiert werden, was schon in der Ausstellung merkwürdig, rätselhaft und eklig wirkte. Wie werden wir darüber denken, wenn wir das Ekelhafte erst im Mund haben? Können wir unsere Gedanken einen Moment lang zügeln oder ganz ausschalten, um uns auf den Geschmack vom Milbenkäse zu konzentrieren? Die Tasting Bar verspricht mehr als eine Mutprobe, sie zeigt uns den Konflikt zwischen der Macht der Gedanken und der Sehnsucht von Gaumen und Zunge. Wie wird sich der Käfer auf dem Löffel im Hals bemerkbar machen? Egal, ich lasse ihn mir schmecken!Wie klingt der Ekel?
Das Disgusting Food Museum Berlin zeigt nicht allein Ungewöhnliches aus den Küchen der Welt und aus Deutschland, sondern zeigt auch das, was Konsumenten im Supermarkt verborgen bleibt: die Produktionsweisen, die Ekel auslösen können oder die Folgen einer grenzenlosen Kauflust, welche die Umwelt in einen ekelhaften Zustand verwandelt. Das alles bringt der Audioguide Sound of Disgust zu Gehör. Der Ekel wird auf diese Weise zu einem vielschichtigen Phänomen, welches das Essen als Ernährung, Sozialverhalten, Kulturselbstverständnis, Umwelt- und Klimathema erfahrbar macht. Nicht belehrend, sondern äußerst unterhaltsam. Der Sound of Disgust bringt die Ausstellung in die Form eines Hörspiels. So muss Museum heute.